Am 27. August 1989 wurde die Ostseeküste völlig unerwartet von einem Orkan heimgesucht, der hier schwere Schäden angerichtet hat. Es ist fast schon wie ein Wunder das niemand zu Tode kam, denn in Wentorf wurde der ganze Hafen zerstört und mit ihm über 200 Yachten.
25.8.89, 13.28 UT über den Britischen Inseln liegt ein kleines Tief, erkennbar an den Wolkenbatzen. |
26.8.89, 13.17 UT Das kleine Tief liegt über Südsotengland und zieht weiter zur Rheinmündung. |
27.8.89, 13.07 UT über Niedersachsen beginnt das Tief sich aufgrund der veränderten Höhenströmung stark zum Sturmtief zu vertiefen. |
28.8.89, 11.16 UT Unter weiterer Vertiefung zieht das Sturmtief Richtung Schleswig-Holstein und erzeugt an der Ostseeküste den Orkan aus Nordost. |
28.8.89, 12.56 UT Das Orkantief kurz nach dem Höhepunkt der Entwicklung. |
29.8.89, 11.06 UT Über Polen schwächt sich das Orkantief wieder ab. |
Quelle: NOAA quicklooks from NEODAAS/University of Dundee
Am 25. August hatte sich südlich von Island ein kleines Tief gebildet, das mit der nordwestlichen Höhenströmung zu den britischen Inseln gelenkt wurde. Bei der über Mitteleuropa herrschenden westnordwestlichen Höhenströmung war anzunehmen, dass das Tief weiter von Südostengland Richtung Frankfurt ziehen würde. So zeigten die Prognosen am 28. August ein wenig ausgeprägtes Tief im Frankfurter Raum. Norddeutschland sollte nur wenig von diesem Tief beeinflußt werden. Soweit die Vorhersagen. Aber es kam völlig anders:
Gleichzeitig lag auch der Hurrikan »Erin« auf dem Atlantik und bewegte sich am 26. August zunehmend nach Nordosten Richtung Island. Die Warmluft des Hurrikanes verstärkte einen Höhenhochkeil westlich der Britischen Inseln und wölbte ihn nach Norden auf. Das führte dazu, das der Höhenwind über den Britischen Inseln von Nordwest auf Nord drehte. Damit wurde in der Höhe auch verstärkt polare Kaltluft weit nach Süden geführt und ein über der Nordsee liegender Höhentrog verstärkte sich. Dadurch drehte der Höhenwind über Norddeutschland langsam von Nordwest auf Südwest und später Süd, wie durch Messungen einer Radiosonde in Schleswig registriert wurde.
26. August 1989, 00 Uhr UTC
Quelle der Karte: Archiv der Wetterzentrale
Das kleine Tief lag nun über der Rheinmündung, umrundete den Höhentrog und gelangte zunehmend auf die Trogvorderseite. Nun konnte es sich rasch vertiefen und seine Zugbahn veränderte sich rasch nach Nordosten und später nach Norden. Am 27. August hatte das Tief das östliche Niedersachsen erreicht.
27. August 1989, 00 Uhr UTC
Quelle der Karte: Archiv der Wetterzentrale
Aus dem starken Höhentrog entstand dann ein abgeschlossenes Höhentief, dadurch drehte der Höhenwind über Schleswig-Holstein am Abend des 27. August weiter zurück auf Ostnordost. Das Bodentief folgte der Höhenströmung und bewegte sich damit am Abend des 27. August nach Nordnordwest. Bei dem geringem Luftdruckanstieg über Skandinavien und dem stark fallenden Luftdruck im Tiefkern über Mecklenburg und Ostholstein verschärften sich die Luftdruckgegensätze heftig. So wehte der Nordostwind am 27. August schon mit Böen über 8; am Morgen des 28. August erreichten sie an der Ostseeküste volle Orkanstärke.
28. August 1989, 00 Uhr UTC
Quelle der Karte: Archiv der Wetterzentrale
Die Niederschlagsmengen betrugen in Schleswig-Holstein über 100 mm in 24 Stunden. In Hamburg wurde mit 11,2 Grad die tiefste Temperatur überhaupt für einen 27. August gemessen.
Am 26. August 1989 verdichtete sich die Bewölkung und es kam andauernder Regen auf. Auch am 27. August hielt der Regen ohne auch nur eine Pause zu machen an und war auch teils sehr ergiebig. Der Wind wehte schon stark aus Ost bis Nordost und nahm am 27. August stark zu und erreichte in der Nacht auf dem 28. August Sturmstärke. Am frühen Morgen des 28. August erreichten die Böen volle Orkanstärke. Auch am 28. August regnete es den ganzen Tag durch. Am Nachmittag nahm der Sturm dann langsam ab. Erst am Abend wurde es am Westhorizont heller und eine scharf abgeschnittene Wolkengrenze wurde sichtbar. Darunter war der Himmel so gut wie klar. Der noch starke Wind wehte weiterhin aus Nordosten, während sich die scharfe Wolkengrenze langsam aus Westen heranzog. Der Regen wurde weniger und hörte wenig später ganz auf. Kurz danach zog die Wolkengrenze herüber und die Sonne kam heraus; nach 3 Tagen ergiebigen und pausenlosen Dauerregens!
Mit Dauerregen und Orkanböen aus Nordost kam der Sturm in der Nacht auf dem 28. August 1989 und richtete an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste schwere Schäden an. Insgesamt wurden über 5000 Bäume umgeknickt oder entwurzelt. Alleine in der Nacht vom 27. auf dem 28. August 1989 fielen in Kiel über 110 Millimeter Niederschlag; das ist mehr als die durchschnittliche Menge für den gesamten August! Die Feuerwehren mußten viele Keller leerpumpen und Straßen wurden wegen Überflutung gesperrt. Im Kreis Plön mußte Katastrophenalarm gegeben werden. Im Kieler Hafen gab es ein totales Chaos; die meterhohen Wellen rissen Yachten los, die wahllos in der Kieler Förde umhertrieben. Gegenstände flogen durch die Luft und trieben ebenfalls in der Förde umher. Viel Yachten sanken an ihren Liegeplätzen oder wurden durch losgerissene Yachten versenkt. Am nächsten Tage bot sich hier ein Bild der Verwüstung: Teile von Yachten, Beiboote, Holzbohlen und sogar eine Parkbank trieben in der Förde. Viele starrten nur fassungslos auf diese Katastrophe. Alleine im Düsternbrooker Hafen in Kiel entstand ein Schaden in Millionenhöhe.
An den Stränden sah es nicht besser aus: Strandkörbe wurden durcheinandergeworfen und durch Wellen und Orkan in Kleinholz zerlegt. Teilweise waren sie völlig mit Sand verschüttet worden. Im Kreis Plön wurden Deiche vielfach überspült. An der Promenadebrücke in Strande wurden vier Tonnen schwere Betonplatten herausgerissen. Auch auf den Campingplätzen sah es ziemlich wüst aus: Sturm und meterhohe Wellen rissen Wohnwagen und Zelte fort. Kühlschränke und Möbel wurden über die Plätze verteilt. Camper wurden noch in der Nacht evakuiert und in Notunterkünfte untergebracht.
Die schwersten Schäden gab es aber in der Marina in Wentorf, denn hier wurde der ganze Hafen zerstört. Über 200 Yachten gingen zu Bruch, einige erlitten Totalschaden und konnten nur noch zum Schrott gebracht werden. Es sah hier aus wie nach einem Bombeneinschlag. Auch hier gingen die Schäden in die Millionenhöhe.
Auch im eigenen Garten gab es Schäden und Spuren des Unwetters: Bäume kippten um, die in dem stark aufgeweichten Boden bei den Orkanböen keinen Halt mehr fanden. Blumen und Sträucher wurden vielfach abgeknickt und Blätter von den Pflanzen gerissen. Es folgen einige Fotos, die ich damals bei uns im Garten aufgenommen habe.
Am Abend des 28. August immer noch stürmische Böen aus Nordost;
aber es klart im Westen langsam auf
© Mario Lehwald
Das Unwetter hinterließ so seine Spuren; ein Baum überstand es
nicht und der stark aufgeweichte Boden tat seinen Teil dazu
© Mario Lehwald
Auch im Garten gab es deutliche Spuren des Unwetters
© Mario Lehwald