Das Orkantief »Anatol« war wohl eines der heftigsten dieses Jahrhundert! In Dänemark war es der heftigste Orkan dieses Jahrhunderts überhaupt!!! Er erreichte in Böen hier und auf der Insel Sylt Windgeschwindigkeiten von fast 200 km/h!!! Und das sind Verhätnisse, wie sie sonst nur in den Hurrikanes der USA vorhanden sind! Daher habe ich hier Satellitenbilder und Berichte zusammengestellt.
2.12.99, 15.44 UT An der Polarfront entsteht eine Verdickung im Wolkenband, auch »Welle« genannt. |
3.12.99, 06.36 UT Die Welle hat sich zu einem kräftigen Sturmtief über England weiter entwickelt. |
3.12.99, 16.25 UT Jetzt hat sich das Sturmtief zu einem Orkantief vertieft und liegt über dem Skagerrak. |
4.12.99, 03.46 UT Das Orkantief ist zu südlichen Ostsee gezogen und schwächt sich nun langsam ab. |
4.12.99, 13.40 UT Das Orkantief schwächt sich weiter ab und liegt jetzt im Raum Lettland. |
5.12.99, 03.34 UT Das Orkantief löst sich jetzt gänzlich auf. Die Überreste von »Anatol« sind hier über Rußland noch eben zu sehen! |
Quelle: NOAA quicklooks from NEODAAS/University of Dundee
02.12.99, 00.00 UT | 02.12.99, 18.00 UT |
03.12.99, 00.00 UT | 03.12.99, 06.00 UT |
03.12.99, 12.00 UT | 03.12.99, 18.00 UT |
04.12.99, 00.00 UT | 04.12.99, 06.00 UT |
04.12.99, 12.00 UT | 04.12.99, 18.00 UT |
Quelle der Karten:
Wetterzentrale
Bearbeitung: Mario Lehwald
Das Orkantief in der Bodenkarte vom 3.12.99, 18.00 UT!!
Man beachte den extrem dichten Isobarenabstand!!!!
Quelle der Karte: Wetterzentrale
Auf den Prognosekarten verschiedener Modelle, z. B. UKMO oder MRF, konnte ich schon eine Woche vorher sehen, das sich am 2./3. Dezember 1999 ein heftiges Sturmtief über England entwickeln sollte. Dieses Sturmtief sollte unter starker Vertiefung zum Orkantief ins Skagerrak ziehen und dort den Höhepunkt seiner Entwicklung erreichen. Auffällig war der sehr tiefe Kerndruck dieses Tiefs mit ca. 960 hPa, und der extreme dichte Abstand der Isobaren, so dass schon viele Gleichgesinnte sehr hohe Windstärken an diesem Tag im Norden Deutschlands vermutet haben. Die Karte links zeigt eine Prognose für den 5. Dezember 1999 um 00 UT von dem Modell MRF, die am 30. November 1999 zu sehen war. Nur gab es noch Unterschiede bei den einzelnen Modellen; einige zeigten für diesen Tag eine nicht ganz so hohe Isobarendichte und einen nicht ganz so tiefen Kerndruck!
Am 30. November 1999 aber waren sich alle Modelle einig: Ein heftiges Orkantief sollte am 3. Dezember 1999 im Skagerrak liegen!! Am 2. Dezember gaben einige Mitglieder der GdHM sowie auch ich über diese Homepage eine Unwetter-Warnung heraus. Uns war klar, dass bei der prognostizierten, sehr hohen Isobarendichte über Schleswig-Holstein die Windstärke der Böen Bft. 12 (=120 km/h) noch überschreiten würde!!
Am Morgen des 3. Dezember 1999 nahm die hohe Bewölkung nach einer schauerreichen Nacht rasch zu (Cirrus und Cirrostratus); sie verdichtete sich rasch weiter und am Vormittag begann es zu regnen. Der Wind drehte auf Südwest zurück und nahm zu. So kam es am Mittag und am Nachmittag zu ergiebigen Regen; der Südwestwind nahm immer weiter zu und erreichte am Nachmittag schon Sturmstärke. Es war auch sehr mild zu dieser Zeit mit über 10 Grad! Der Luftdruck fiel an diesem Tage recht stark und lag am Nachmittag bereits unter 990 hPa!
Am Nachmittag sah ich mir die Satellitenbilder an und konnte den Kern des Orkantiefs über der Nordsee sehr gut sehen. Bis zur Überquerung der Kaltfront würde es noch ein wenig dauern. Diese kam dann so gegen 17.00 Uhr und die Böen erreichten bereits Stärke 10 bis 11! Der Niederschlag hörte auf und die Wolkendecke brach plötzlich auf und blauer Himmel wurde sichtbar. Das war die Rückseite der Kaltfront! Nur tiefliegende Wolken jagten rasch über den Himmel - ein faszinierender Anblick! Es war immer noch sehr mild. Der Sturm kam nun langsam mehr aus westlichen Richtungen, das konnte man sehr gut an Bewegung der tiefen Wolken sehen. Der Tiefkern lag nun schon fast über dem Skagerrak, der Luftdruck erreichte ein Minimum mit 980 hPa - das Barometer fiel nicht mehr. Der Sturm wurde aber gleichzeitig immer heftiger und die Böen immer stärker! Sie erreichten nun schon volle Windstärke 12!
So sah der Himmel am späten Abend aus:
Dichte und rasch ziehende tiefe Bewölkung
© Mario Lehwald
So gegen 18.00 erreichten die Böen eine solche Gewalt, dass es draußen anfing, richtig zu dröhnen! Ich hörte draußen ein ständiges Knallen und Klappern.... Der Himmel war während dieser Zeit teils klar, teils zogen aber auch tiefe Wolken rasch durch, die manchmal ein wenig Regen brachten, der fast waagerecht durch die Luft gepeischt wurde! Mir fiel auf, dass die Temperatur sehr schnell fiel und es immer kälter wurde... Auf NDR und RSH wurde gemeldet, dass in vielen Orten in Schleswig-Holstein, besonders im nördlichen Teil, Verkehrsschilder durch die Luft fliegen; außerdem riet die Polizei allen Leuten, ihre Häuser möglichst nicht zu verlassen und nicht mit dem Auto zu fahren!! Im gesamten Haus flackerte das Licht teilweise recht stark.
Dieser Zustand hielt bis ca. 21.00 Uhr an; dann nahm der Sturm langsam ab, obwohl die Böen immer noch häufig Stärke 11-12 erreichten. Das Barometer zeigte nun einen leichten Luftdruckanstieg. Auf dem Satellitenbild konnte ich dann gut sehen, dass der Tiefkern jetzt Richtung Südschweden lag, das Ärgste ist also vorüber!! Kiel lag außerdem in den vergangenen Stunden noch im Randbereich des Tiefkerns; dort wo der Wind seine größte Geschwindigkeit erreicht!!! Aufgrund des starken Sturmes gibt es im Randbereich des Tiefkerns auch keine Schauer, sondern nur Wolken mit schwachen Niederschlägen. Die Schauer waren auf dem Satellitenbild allerdings schon zu sehen: Sie lagen westlich der Wolkenspirale des Tiefkerns, also noch über der Nordsee.
Während der Sturm am späten Abend weiter abnahm, erreichten die besagten Schauer den Raum Kiel und fielen dann überwiegend als Graupel- und Schneeschauer. Die Temperatur ging in der Nacht auf Nahe 0 Grad zurück.
Das Orkantief brachte in Dänemark und auf Sylt den heftigsten Orkan dieses Jahrhunderts!!! Hier erreichte der Orkan in Böen fast 200 Stundenkilometer!!! Die stärksten Böen wurden auf der Insel Sylt mit 180 km/h gemessen, anschließen fiel dort der Strom aus, so dass keine weiteren Messungen mehr erfolgen konnten. Damit erreichte das Orkantief »Anatol« am Abend die Stärke eines tropischen Wirbelsturmes!! Auf der fünfstelligen Saffir-Simpson-Scale für Hurrikane in den USA entspricht diese Windgeschwindigkeit der Stufe 3.
Die Insel Sylt wurde sehr schwer betroffen: Die Bürgermeisterin von Sylt sagte wörtlich: "In Westerland sieht es aus, wie nach einem Hurrikan in den USA. Fast jedes Dach ist beschädigt worden, einige sind auch komplett weggeflogen". In ganz Schleswig-Holstein wurden Verkehrsschilder und Strommasten umgeknickt, Autos umgeworfen und Bäume entwurzelt. In einigen Dörfern fiel auch der Strom aus.
Am 4. Dezember fuhr ich am Nachmittag nach Norden Richtung Schleswig, um zu sehen was der Orkan dort angerichtet hatte. Die Windgeschwindigkeiten waren dort höher als in Kiel gewesen. Sie waren so hoch, das sogar ganze Verkehrsschilder am Straßenrand umgefallen waren und fast am Boden lagen!
Der Orkan war so heftig, dass er sogar Verkehrsschilder umriß
© Mario Lehwald
Aufgrund von starken Temperaturgegensätzen der über dem Atlantik verlaufenden Frontalzone konnte dort ein kräftiges Sturmtief entstehen. Sturmtiefs entstehen häufig im Herbst- und Winterhalbjahr auf dem Atlantik, doch gewöhnlich erreichen sie bei Irland oder Island den Höhepunkt ihrer Entwicklung und schwächen sich dann wieder ab.
Das Tief »Anatol« entstand westlich vor Irland als Welle und zog mit der Höhenströmung rasch weiter zur Nordsee, wo es sich zum Orkan vertiefte. Von dort zog das Orkantief unter weiterer Vertiefung ins Skagerrak, wo der Wirbel den Höhepunkt seiner Entwicklung erreichte, der Luftdruck im Kern lag bei 956 hPa! Dänemark und das nördliche Schleswig-Holstein (auch Sylt) waren dem Tiefkern am nächsten.
Die höchsten Windstärken treten immer am Rand des Tiefkerns auf, mitten im Kern ist es dagegen fast windstill. Auf der Wetterkarte weiter oben kann man das sehr gut sehen: Die Windstärke hängt vom Abstand der Isobaren ab, je enger sie liegen, desto stärker ist der Wind! Knapp südlich des Tiefkerns war die Isobarendichte am größten, sie lag hier bei unter 30 Kilometern! Bei dieser Dichte sind Windstärken bis zu 200 km/h nicht verwunderlich. Auch Kiel lag noch am Randbereich des Kerns, die Böen waren hier aber schon etwas schwächer als auf Sylt und im nördlichen Schleswig-Holstein.