Das Orkantief »Verena« brachte Kiel wohl eines der heftigsten Orkane! Die Schäden gingen in die Millionenhöhe. Aber auch im übrigen Norden gab es überall schwere Verwüstungen. Die Windgeschwindigkeiten erreichten auf dem Flugplatz in Kiel-Holtenau 150 km/h!
12.01.93, 14.14 UT Die sogennante Polarfront verläuft von Südschweden über Südengland bis in den Atlantik. |
13.01.93, 08.19 UT An der Polarfront ist südwestlich von Irland eine Welle (junges Tief) entstanden. |
13.01.93, 14.02 UT Die Welle hat sich rasch zu einem starken Randtief weiterentwickelt und liegt jetzt über dem englischen Kanal. Es zieht unter starker Vertiefung in den nächsten Stunden nach Südschweden. |
14.01.93, 03.56 UT Das nun zum vollen Orkantief vertiefte Randtief liegt jetzt über Südschweden. Stunden zuvor ist es mit seinem Kern nördlich von Dänemark vorübergezogen. |
14.01.93, 07.58 UT Das Orkantief hat die Ostsee überquert und schwächt sich langsam wieder ab. |
14.01.93, 13.50 UT Über dem nördlichen Rußland angelangt, löst sich das Tief langsam auf. |
Quelle: NOAA quicklooks from NEODAAS/University of Dundee
Damals hatte ich gerade meinen ersten PC bekommen und noch kein Internet und Barometer. Damit gab es auch keine Wetterkarten. Das einzige was ich hatte, war die Zeitungswetterkarte. Diese gab aber keinen Hinweis auf das bevorstehende Ereignis. Selbst am nächsten Tage sah ich kein Orkantief darin.
Heute gibt es in der Wetterzentrale archivierte GFS-Karten (eine pro Tag von jeweils 0 Uhr). Natürlich ist der Zeitraum zwischen den Karten etwas lang; trotzdem konnte ich mit Hilfe dieser Karten das Orkantief endlich ausfindig machen. Es war im Grunde genommen eine schnell ziehende und sich stark vertiefende Welle gewesen, die erst nach dem Durchzug bei uns zu einem Randtief wurde.
11.01.93, 00.00 UT
Das Orkantief entstand als flache Welle mitten auf dem Atlantik.
12.01.93, 00.00 UT
Die Welle liegt weit westlich der Biskaya auf dem Atlantik, gelangt aber auf die Vorderseite des Höhentrogs und zog so unter Vertiefung Richtung England.
13.01.93, 00.00 UT
Die Welle zog unter starker Vertiefung nach Dänemark. Da es im Kern keine abgeschlossene Isobare gibt, ist es zu diesem Zeitpunkt noch eine Welle und kein Randtief! An der Südflanke dieser Welle wurde der Druckgradient extrem verdichtet. Zu diesem Zeitpunkt tobte der heftige Orkan über Schleswig-Holstein.
14.01.93, 00.00 UT
Die Welle hat sich zu einem Randtief mit einem Kerndruck von 980 hPa entwickelt und liegt jetzt über Rußland. Über Norddeutschland hat sich ein kräftiger Hochdruckkeil aufgebaut.
15.01.93, 00.00 UT
Das Orkantief Verena schwächt sich über Rußland ab. Der Kerndruck ist auf 1000 hPa gestiegen.
16.01.93, 00.00 UT
Verena ist etwas nach Norden gewandert und schwächt sich weiter ab. Im Kern gibt es keine abgeschlossene Isobare mehr.
Quelle der Karten: Archiv der Wetterzentrale
Bearbeitung: Mario Lehwald
In dieser Zeit hatte ich gerade erst meinen ersten PC bekommen; es gab bei mir noch kein Internet und auch kein Barometer. Ich führte meine Beobachtungen damals vor allem mit der Foto- und Videocamera durch. Daher habe ich auch keine Wetterkarten von diesem Tag.
Der 13. Januar 1993 war ein bedeckter Tag; es regnete zeitweise bei starkem Wind. Am späten Nachmittag als es schon dunkel war fiel mir auf, dass der Wind stark zugenommen und auf Süd zurückgedreht hatte. So gegen 18.00 Uhr wehte er schon mit voller Sturmstärke aus südlicher Richtung bei völlig bedecktem Himmel. Mir war klar, dass ein neues Sturmtief heranzog und das sich Wind auf der Rückseite dieses Sturmtiefs noch erheblich verstärken werde, da in unseren Breiten die höchsten Windstärken immer südlich oder südwestlich des Tiefkerns auftreten. Es war zwar im Rundfunk ein Sturm angekündigt worden, der ca. 11 Windstärken erreichen sollte. Aber der Südwind auf der Vorderseite des Sturmtiefs erreichte schon jetzt Stärke 9! Ich hattes es schon so im Gefühl, dass ein erheblich stärkerer Sturm als vorhergesagt folgen würde.
Wenig später machte ich die Videocamera bereit und mir fiel bald auf, dass plötzlich das Licht im ganzen Hause stark zu flackern begann! Sogar an den Straßenlaternen draußen konnte ich das sehr deutlich sehen. Das hatte ich noch nie zuvor bei einem kommenden Sturm beobachtet.... 15 Minuten später brach draußen ein Getöse und Gedröhne los, wie es normalerweise von einem vorbeifahrenden Güterzug erzeugt wird. Dann machte ich die Tür auf. Ich hatte schon häufig auch Böen der Stärke 12 erlebt, aber das hier hatte mit fast die Sprache verschlagen: Mit nie gekannter Gewalt und Lärm schossen die Böen vorbei. Der tiefdröhnende Lärm war wirklich enorm; dazu hörte ich ein ständiges Krachen, Poltern und Klappern, das aus allen Richtungen kam. Der Himmel war nicht mehr bedeckt; die Wolkendecke fast aufgelockert und darunter rasten tiefliegende Wolkenfetzen regelrecht über den Himmel. Der Wind hatte auf West bis Nordwest gedreht, wie ich nun erkennen konnte. Für kurze Augenblicke sah man immer wieder mal den einen oder anderen Stern.
Ich machte daher mehrmals an diesem Abend Aufnahmen mit der Videocamera von diesem wirklich bedrohlich wirkenden Ereignis. Da es aber dunkel war, konnte ich fast nur den Ton verewigen, aber das war ja auch schon was! Bei der dritten Aufnahme so um 21.00 Uhr hatten die Böen ihr Maximum erreicht. Plötzlich fegte eine sehr starke Bö mit großer Gewalt über unser Haus hinweg. Dabei hörte ich ein lautes Krachen auf der anderen Seite des Hauses. Vorsichtig ging ich nach draußen und sah, dass die Dachrinne vom Fenstervorbau vollkommen abgerissen war. Das war zum Glück neben einigen abgeworfenen Dachziegeln der einzige Schaden bei uns.
Nach Mitternacht nahm der Orkan dann langsam ab. So gegen 3.00 Uhr morgens ging ich dann nach draußen, um noch einmal nach Schäden zu schauen. Im ganzen Garten lagen Äste und Müll herum, auf der kleinen Straße unseres Wohngebietes lag ein sehr großer Ast eines Baumes und versperrte die Durchfahrt, und ein paar Häuser weiter ebenfalls ein fast entwurzelter Wacholder! Dann mußte mein Nachbar zur Arbeit und ich half mit, den fast halben Baum von der Straße wenigstens so zu beseitigen, dass er mit dem Auto durchfahren konnte...
Am nächsten Tag ging ich mit der Videocamera durch unsere Wohngegend. Besonders in den Kleingartenanlagen bot sich ein Bild der Verwüstung: Ganze Gartenhäuser waren abgerissen worden, einige hatten nur noch zwei Wände und komplette Holzdächer hingen in den Kronen der Bäume! Viele waren gekommen, um ersteinmal aufzuräumen. Dazu überall entwurzelte große Bäume. Einige Bilder aus diesen Videoaufnahmen habe ich unten eingefügt.
Von dem Dach der Kieler Rathausturms wurden Kiloschwere Kupferplatten abgerissen und weit durch die Luft geweht. Von der Muthesius-Schule in Kiel kam das komplette Dach herunter und wurde auf den Innenhof geweht. An den tiefer gelegenen Stockwerken waren zahlreiche Scheiben zerschlagen. In Rendsburg riß der Orkan die Schwebefähre über dem Nord-Ostsee-Kanal los und ließ sie gegen einen vorbeifahrenden Frachter donnern. Auf der Rendburger Werft in Nobiskrug wurde ein Schwerlastkran aus der Verankerung gerissen und umgeworfen. Weitere Schäden im Land waren eingestürtzte Giebelwände und selbst einige Gebäude stürtzten teilweise ein.
© Mario Lehwald, 14.01.93